Glück schlägt Geld (Teil 1) – innerliche Kündigung
Engagement lohnt sich nicht. Warum mehr machen als nötig – und dann auch noch für dieses Unternehmen? Die emotionale Bindung von Mitarbeitenden zu Unternehmen nimmt immer weiter ab und viele haben bereits innerlich gekündigt. Laut dem Gallup-Bericht «State of the Global Workplace 2022» weisen in Deutschland nur 16 Prozent der Befragten eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber auf, in der Schweiz sind sogar nur 11 Prozent. Nach Berechnungen von Gallup kostet diese geringe Mitarbeiterbindung die Weltwirtschaft pro Jahr 7,8 Billionen US-Dollar. Die Zahlen zeigen deutlich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Wer keine emotionale Bindung zum Unternehmen hat, tendiert dazu, Dienst nach Vorschrift zu leisten oder innerlich zu kündigen. Vor einiger Zeit erlebte dieser Aspekt durch den Social-Media-Trend «Quiet Quitting» ein echtes Revival – vor allem in den jüngeren Generationen. Hat ein Mitarbeitender bereits innerlich gekündigt, kostet er sein Unternehmen mehr als nur das Gehalt. Kollegen werden demoralisiert, das Image des Unternehmens kann leiden und das Betriebsklima wird negativ beeinflusst.
Warum kündigen Mitarbeitende innerlich?
Es lässt sich in vielen Fällen leicht erkennen, ob Mitarbeitende innerlich gekündigt haben. Die Anzeichen sind eindeutig und sollten sofort die Alarmglocken bei Führungskräften schrillen lassen, besonders dann, wenn ein vormals engagierter Mitarbeitender plötzlich einige davon aufweist. Dazu zählen unter anderem:
- Die Einstellung zum Unternehmen und zur eigenen Arbeit ist zunehmend negativ.
- Der Mitarbeitende verhält sich passiv, trägt nichts zu Meetings bei und zieht sich zurück.
- Es besteht kein Interesse an aktuellen Themen oder Projekten.
- Die Haltung gegenüber Kollegen, Führungskräften und Kunden ist ablehnend.
- Der Mitarbeitende ist nicht bereit, über den Tellerrand zu schauen.
- Die Arbeitsergebnisse sind schlecht.
- Die Fehlzeiten erhöhen sich.
Grundsätzlich gilt nicht, dass jeder Mitarbeitende massenhaft Überstunden leisten muss oder nie einen schlechten Tag haben darf. Vielmehr geht es bei der inneren Kündigung darum, dass sich die Haltung verändert und daraus wiederrum resultiert, dass der Mitarbeitende nicht einen Schritt mehr gehen möchte als im Arbeitsvertrag festgehalten. Jetzt bleibt jedoch noch die Frage, warum Mitarbeitende innerlich kündigen – die Ursachen lassen sich vor allem in der Führung finden.
Schlechte Führung
Führungskräfte sind die häufigste Ursache, warum Mitarbeitende Dienst nach Vorschrift leisten. Viele klagen darüber, dass sie oft nur kritisiert werden, Lob ausbleibt, Informationen vorenthalten werden oder nichts hinterfragt werden darf. Miese Vorgesetzte und unfaires Verhalten sind die Hauptgründe für Demotivation und Jobfrust.
Feedback bleibt aus
Feedback, welches Lob und Kritik beinhaltet, ist ein wichtiger Faktor für die Motivation und das Engagement von Mitarbeitenden. Können diese nicht erkennen, ob ihre Leistung gut oder schlecht ist, in welchen Punkten sie sich verbessern können und wo ihre Stärken laut Führungskraft liegen, bleibt die Lust an der Arbeit meist auf der Strecke.
Keine Entwicklungsmöglichkeiten
Hat der Mitarbeitende keine Möglichkeit, sich im Unternehmen weiterzuentwickeln und zu wachsen, verliert er das Interesse daran, zusätzlich Leistung zu bringen oder neue Aufgaben zu übernehmen. Denn für ihn ändert sich dadurch nichts und er bleibt weiter an seiner Position – warum also sollte er mehr tun als nötig? Fehlen die Aufstiegschancen und gibt es keinen Raum für Entwicklung, sinkt das Engagement der Mitarbeitenden.
Häufige Über- oder Unterforderung
Sowohl häufige Überforderung als auch ständige Unterforderung schaden dem Mitarbeitendenengagement. Gemäss der Flow-Theorie sind Mitarbeitende maximal motiviert, wenn sie minimal überfordert sind. Müssen sie bei Aufgaben ein kleines Stück über sich hinauswachsen, ist das Erfolgserlebnis umso grösser. Dauerhafte Überforderung hingegen bewirkt das Gegenteil: Können Mitarbeitende die Anforderungen oder Erwartungen der Führungskräfte nie erfüllen und wird Scheitern zur Normalität, entsteht Frust. Doch auch Unterforderung kann zu einer inneren Kündigung führen, vor allem dann, wenn der Mitarbeitende Aufgaben übernimmt, die deutlich unter seiner Qualifikation liegen. Das gilt auch, wenn er sich im Job langweilt und sogar Gefahr läuft, einen Boreout zu erleiden.
Fehlende Resonanz
Die meisten Mitarbeitenden wollen gerne von sich aus etwas bewegen, kreativ sein und Ideen in das Team einbringen. Selbstverständlich ist nicht jede Idee brillant, doch viel schlimmer ist es, wenn Rückmeldungen ganz ausbleiben. Der Mitarbeitende wird es noch ein paar Mal versuchen, erhält er allerdings nie eine Resonanz auf seine Vorschläge, zieht er sich zurück, denn es interessiert keinen, was er zu sagen hat. Hört der Mitarbeitende dann auch noch das Totschlagargument: «Hier machen wir das schon immer so und nicht anders!», verliert er irgendwann die Lust am Job.
Egal-Haltung
Fällt niemandem in der Führung auf, wenn sich ein Mitarbeitender besonders engagiert und grossartige Ideen einbringt, wird er das nicht mehr lange tun. Es fehlen ihm schlicht die Anreize dafür, mehr Leistung zu bringen oder besondere Einsatzbereitschaft zu zeigen. Warum auch sollte er sich für das gleiche Geld oder die gleichen Aussichten wie sein Kollege mehr anstrengen?
In der Regel ist der Dienst nach Vorschrift nicht das Problem der Individuen, sondern des Systems.
Was wünschen sich Mitarbeitende – insbesondere von der Führung?
Ein für mich entscheidender Punkt ist die Beziehung zu den Mitarbeitenden. Ich versuche, sowohl in meiner Beratertätigkeit als auch bei Interimsmandaten, immer mit den Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Das kann bei einer Kaffeepause sein, beim Mittagessen in der Kantine oder einem zwanglosen Gespräch auf dem Flur. Hilfreich ist auch eine Begrüssungsrunde am Morgen. Hier lässt sich direkt erfragen, ob es heute besondere Herausforderungen oder Probleme gibt. Auch signalisiere ich allen, dass meine Tür jederzeit offensteht. Und so kam es, dass ein Mitarbeitender, von dem ich es nie erwartet hätte, auf mich zukam und mir ein Problem schilderte. Mit den Worten «Du hast gesagt, Deine Tür ist immer offen, ich habe ein Anliegen.» Jetzt kommt es drauf an! Es gibt drei Möglichkeiten und nur eine davon ist als Führungskraft angebracht.
Erstens: Ich sage dem Mitarbeitenden, dass ich keine Zeit für ihn habe und wimmle ihn ab. Zweitens: Ich höre ihm zu, aber bin abwesend und beantworte nebenbei zum Beispiel Mails auf dem Handy. Danach nicke ich und habe sein Anliegen zur Kenntnis genommen, doch gleich wieder vergessen. Drittens: Ich höre aufmerksam zu, frage nach, ob er schon Lösungsideen hat und bringe die Sache selbst voran oder gebe sie an jemanden weiter, der das Problem lösen kann. Nach einiger Zeit frage ich bei dem Mitarbeitenden nach, ob sich sein Anliegen geklärt hat.
Sie wissen wahrscheinlich selbst genau, welche Option die beste ist. Bei eins und zwei wird der Mitarbeitende vielleicht noch einmal bei mir anklopfen, weise ich ihn wieder ab, kommt er nie wieder auf mich zu und ist der Unterschrift auf der innerlichen Kündigung ein ganzes Stück nähergekommen. Mitarbeitende wünschen sich im Grunde nichts mehr, als dass eine Führungskraft ihre Aufgabe erledigt – und die besteht im Führen von Menschen.
Im zweiten Teil von «Glück schlägt Geld» sprechen wir über die Erwartungen der Mitarbeitenden an ihr Unternehmen, die jungen Generationen und intrinsische Motivation. Werfen Sie bis dahin gerne einen Blick in mein aktuelles Buch: «Die neue Leadership-DNA: Prinzipien für einen radikalen Umbau der Führung».